Ilvesheimer Inseljäger

Leseprobe

Es zerriss ihr das Herz. Was hatte sie getan, dass sie so bestraft wurde? Jede Nacht stellte sie sich diese Frage, immer, wenn ihr kleiner Sohn Lennart wieder nach ihr rief und sie ihn schweißgebadet in seinem Bett vorfand. Jede Nacht hatte er den gleichen ängstlichen Blick aus rotgeweinten Augen, jede Nacht diese Hilflosigkeit. Kein Mensch wusste genau, was Lenny fehlte; kein Arzt, Lehrer oder Psychologe und vor allem nicht sie, Lennys Mutter. Sie konnte sich nicht vorstellen, was den kleinen Jungen dermaßen aus der Bahn geworfen hat. Warum hatte er diese fragenden, mit Schmerz erfüllten Augen, diese Panik, die ihr und ihm jede Nacht den Schlaf raubte und warum erfolgte mittlerweile fast täglich ein Anruf aus der Schule, dass sie ihren verängstigten oder aggressiven Sohn abholen sollte. Doch wie sollte sie ihm gerecht werden, wenn sie dann Hals über Kopf ihren Arbeitsplatz verließ, um ihn von der Schule abzuholen, oftmals um sich schlagend oder einfach nur lethargisch? Entweder hatte er voller Aggressivität Mitschüler attackiert, gebissen, geschlagen oder getobt oder er saß eingeschüchtert und weinend in der Ecke, ließ sich nicht mehr beruhigen, musste sich dabei sogar des Öfteren übergeben oder er war einfach nur apathisch. Natürlich könnten auch Lennys Großeltern nach ihm sehen und ihn nach Hause holen, doch das wollte sie nicht, denn ein Kind gehörte zu seiner Mutter, so dachte sie immer. Doch mit jedem Anruf aus der Schule, jeder schlaflosen Nacht wuchs die Angst, etwas Falsches zu tun. Eigentlich sollte sich Britta ganz ihrem Sohn widmen und eigentlich wollte sie das ja auch, es kam aber alles anders als erhofft. Alles hätte so schön sein können.


Als Britta Steinmann vor elf Jahren ihren Karl heiratete in Ilvesheim, einer wunderschönen kleinen 8000-Seelen-Gemeinde mitten im Rhein-Neckar-Kreis, nahe Mannheim in der Metropolregion Rhein-Neckar, ahnte noch niemand, dass sie nach so kurzer Zeit allein durchs Leben gehen würde, ohne Ehemann, Ernährer und Vater. Nur Lennart war ihr geblieben, ihr größter Schatz und außerdem noch die fürsorgliche Familie ihres Mannes. Alle Familienmitglieder versuchten sie und Lenny zu unterstützen so gut es ging, aber sie konnten ihr auch nicht ihren Ehemann, ihren Karl zurückbringen und Anna (Annel) und Herbert (Bertl) Lohnat, ihre Schwiegereltern, hatten ja auch ihren Sohn verloren. Solche Gedanken überkamen sie oft und fuhren Karussell in ihrem Kopf.

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